Prinz Eisenherz Lexikon
Inzwischen gibt es 88 Jahre Abenteuer-Geschichten des Helden
Von Hal Foster, dem Urvater und Schöpfer der Figur und seinen Abenteuern, gibt es eine Aussage, was er - befragt, ob er glaube, dass auch weitere Generationen von Lesern an seinem Helden Interesse zeigen würden - mit „nein“ geantwortet haben soll. Möglich, dass dies so stimmt. Ich glaube aber, dass er mit seiner Arbeit und den Erlebnissen seines Helden so beschäftigt war, dass er keine Zeit dafür opferte, sich ein mögliches Szenario weiterer Jahrzehnte von interessierten Lesern an seiner Valiant-Erzählung ernsthaft vorzustellen.
Hal Foster schuf von 1937 an 1788 Fortsetzung-Pages, bevor er seinem Nachfolger John Cullen Murphy die Ausführung der Reinzeichnungen überlies. Für die er weiter die Handlung verfasste und die Bilder vorskizzierte. Erst weitere 500 Seiten später beendete er mit Seite 2241 seine Arbeit daran aus gesundheitlichen Gründen. Heute hat der Comic die laufende Nummer / Seite 4570 erreicht, (so) wurde Fosters Werk inzwischen mehr als verdoppelt. Diese lange Laufzeit als einen Wunsch von Foster sich in seinen Arbeitshochzeiten auch nur vorzustellen, fällt schwer. Seine Arbeit währte 45 Jahre, die seiner drei Nachfolger inzwischen auch 45 Jahre.
Ich muss erwähnen, dass ich seit über 74 Jahre diesen Abenteuer-Comic sammle, mich gründlich mit seiner Entstehungsgeschichte, dem Auf und Ab durch die Jahrzehnte seines Erscheinens beschäftigt habe. Die sich bei mir angesammelte Sekundärliteratur füllt mehrere Ordner. Ich verfüge - mit wenigen Lücken - über alle der 4.600 englischsprachigen Seiten. Meine Muster in deutscher Sprache – Bücher, Broschüren, Sonntagsfolgen - gehen in die Hunderte. Selbst leicht exotische Ausgaben fremder Länder haben mich interessiert und wurden aufgekauft. Wer solche Mühen auf sich nimmt, Sammlungen anzulegen, zu ergänzen und zu verwalten, dem darf man getrost Befangenheit unterstellen, was ich für meine Person durchaus auch akzeptiere. Was mich aber trotzdem nicht daran hindert, auch kritische Worte für das Werk zu finden, das alleine durch die Vielzahl der neben und nach Foster Beteiligter normale, aber auch große Qualitätsschwankungen erduldet hat, deren Ursache ich im Folgenden ansprechen will.
Lassen Sie mich zunächst auf die letzten 452 Seiten von Foster und Murphy in der Schlussphase gemeinsam, eingehen. Foster war und bleibt bis heute der unbestrittene König des Abenteuercomics. Seine Leistung, bestehend aus präzisester Genauigkeit gegenüber dem Zeitabschnitt Mittelalter und den Lebensgewohnheiten der Menschen damals, lässt selbst Skeptiker verstummen. Foster zog mehrere Jahrhunderte Historien-Wissen durch eine von ihm erdachten Wunschauslegung so geschickt zusammen, dass daraus eine neue Mittelalter-Comic-Geschichte entstand. Dieses Wunsch-Mittelalter nutzte er für die Schilderungen seiner Helden, um die Fülle der sie umgebenden Personen, in Höhen und Tiefen, seinen Lesern glaubhaft zu vermitteln. Sowohl bei den romanhaften Texten als auch in den künstlerisch detaillierten Zeichnungen, mit der er dem spannenden Text die zusätzliche Bildumsetzung bot, kaum noch steigerbar vorstellbar. Der Leser tauchte mit ihm in seine mittelalterliche Ritterwelt und all die Probleme ein, welche die damals lebenden Menschen vermutlich plagten, und erlebt hautnah das Geschehen, vergleichbar den Eindrücken, die ein Film vermittelt. Dafür opferte Foster Jahrzehnte lang jede Woche des Jahres (angeblich) 50 bis 55 Stunden Arbeit, was beim Betrachten seiner detaillierten Seiten aber absolut glaubhaft wäre. Wie er dabei aber auch noch die vielen Erkundungsreisen gemeinsam mit seiner Frau bewältigen konnte, bleibt mir allerdings unklar.
Dass ein solcher Leistungsgipfel seinen Künstler in Höhen katapultiert, die jedem Nachfolger eine beinah unlösbare Aufgabe hinterlässt, wenn er sich ernsthaft darum bemühen muss, Fosters Stil und sein Können nachzuahmen, versteht sich von selbst. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich die erste Murphy-Seite zu Gesicht bekam und sofort Veränderungen wahrnahm, aber nicht die Ursache dafür erkannte. Deutsche Leser blieben ohne jede Information durch den damaligen Verlag Welt am Sonnabend. Meiner Frau, der ich wenig später je eine Foster- und eine Murphy-Page zum Vergleich vorlegte, bestätigte meine, sich als richtig herausstellende Vermutung, dass hier möglicherweise zwei verschiedene Künstler die Arbeit geleistet hatten. Ich tue mich schwer damit, mir vorzustellen, wie Foster (auf) diese einschneidende Veränderung an seiner bisher singulären diffizilen Arbeitsweise reagierte. Allein schon die Wiedererkennung an seinen handelnden Akteuren muss ihn doch sehr beschäftigt haben. Wobei er höchst-persönlich diese neue Arbeitsteilung - unfreiwillig – angestoßen hatte, weil ihn seine gesundheitlichen Probleme zwangen, so zu handeln. Vielleicht war sein Trost: noch erdachte und schrieb er die Handlung und gab jedes Motiv vor, vorskizziert für den Kollege Murphy. Weitere 10 Jahre sollte das noch so bleiben.
Regelmäßige Leser des Abenteuer-Comics werden meine folgenden Aussagen vermutlich bestätigen. Die Foster-Welt, eine erdachte und dazu geschichtliche Fakten ausblendende Darstellung des Mittelalters, der sich wiederholende Auftritt seiner Nebendarsteller und auch deren ausführliche Darstellung ihrer jeweiligen Lebensumstände, die klare Zuordnung von Gut und Böse, all das schuf in den Foster-Jahren für die Valiant-Geschichte eine Bühne, die der Leser kannte und vermutlich auch erwartete, wenn er die aktuelle Sonntags-Folge oder in Broschüren das von Comic-Verlagen aus dem Gesamtepos herausgelöste Einzelabenteuer genoss. Heute wiederholt sich solches in Buchreihen oder in TV-Serien. Der Wiedererkennungseffekt hat für Serienformate große Bedeutung, für Akzeptanz bei Menschen, denen diese Geschichte erzählt werden.
Gleichzeitig sind aber Kreative aller Art gehalten, bei ihren „Kunden“ das Interesse und ggf. die Spannung hochzuhalten, um die Konsumenten an ihre Geschichten zu binden. Hierbei muss mit viel Einfühlungsgefühl vorgegangen werden. Und nicht immer gelingt das überall, wird der Leser oder Zuschauer durch Brüche in den Geschichten verwirrt und beginnt zu fremdeln mit seinem Medium. Für Fosters Eisenherz war diese Gefahr durch seine weitere 10-jährige Mitarbeit weitgehendst gebannt. Er setzte seine Geschichte in seinem Sinne fort. Murphy war dazu gezwungen, Fosters Ideen und Inhalte ohne Abstriche umzusetzen. Er erledigte diesen Job mit großem Fleiß und fügte sich in seine Rolle. Zwar mag mancher Kunstfreund und Bewunderer der Foster Zeichenkunst den Originalstrich des Meisters vermisst haben, aber die Macht der Gewohnheit ist groß. Mit Seite 2242 war John Cullen Murphy nun auf sich allein gestellt. Foster hatte seinen Part mit nunmehr 89 Jahren endgültig aufgegeben und seine Urheberrechte für 300.000 Dollar (!) an den bisherigen Partner King Features in New York verkauft. Die Kreativarbeit durch Foster fiel weg.
Glücklicherweise gab es in der Familie Murphy einen Junior, der auch noch Geschichte zu seinem Beruf gemacht hatte: Cullen Murphy. Er wurde Autor der weiteren Abenteuer und lenkte nun den inhaltlichen Teil des Werkes aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse entscheidend mit. Dem kundigen Leser blieb das nicht verborgen. In der Handlung tauchten unvermittelt Elemente und Personen auf, die bis dato unbekannt und mitunter auch Irritationen auslösten. Dazu kam, dass der Zeichner Murphy - so mein Eindruck – aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Foster sich etwas schwer damit tat, die neuen Szenarien aufgrund der Verlagerung der Handlung weg vom Ritterleben hin zum Abenteuergeschehen ohne Vorgaben von Foster alleine umzusetzen. Doch letztlich spielte sich die „neue Mannschaft“ ein, und die Mischung aus Abenteuer und Familienharmonie der Serie setzte sich fort. Murphy war fleißig und hielt bis wenige Monate vor seinem Tod den Zeichenstift in der Hand. 1259 Seiten hinterließ er dem Unternehmen, wobei in den letzten Jahren die Qualität seiner Zeichnungen einbüßte. So soll er – angeblich - bei Übergabe an seinen Nachfolger Garry Gianni diesem zu erkennen gegeben haben, ab sofort nicht mehr in Sachen Prince Valiant angesprochen werden zu wollen. Nach 1712 Seiten Arbeit - verständlich.
Ich habe in meinem Beitrag aus dem Jahre 2021/22 unter der Überschrift Jahrzehnte voller Abenteuer und kein Ende mich zu den Verantwortlichen der Folgeseiten geäußert. Ich kritisierte, dass die Story mit vielen Foster-Elementen brach und dem Leser viel Neues zumutete. Von dem Handlungsstrang, wie ihn Foster angelegt hatte, war wenig geblieben. Das blieb nicht ohne Wirkung auf die Anzahl Zeitungen in aller Welt, die sich als Folge zuhauf von der wöchentlichen Veröffentlichungs-Seite verabschiedeten. Der Hauptfehler des Verlages: einen Texter zu engagieren, der, anders als von Foster vorgegeben und von Murphy fortgesetzt, die Ritter-Welt beiseiteschob und mit dem Argument einer nötigen Modernisierung die Handlung teilweise in einer absurden Science Fiction-Ebene ansiedelte. Der großartige Zeichner Garry Gianni versuchte als Nachfolger sein Glück ab Folge 3502, gab aber – angeblich aus Zeitmangel – eher enttäuscht, mit Folge 3920 wieder auf. Ich erspare mir eine Bewertung dieser 400 Seiten, die völlig am Mittelalter-Thema vorbeigriffen. Dies schadete dem Titel mehr als dem Verlag lieb sein konnte. In New York läuteten die Sturmglocken, riefen zur Umkehr auf.
Der Rest ist in wenigen Sätzen erklärt. Mit dem Zeichner Thomas Yeates wurde die Handlung ins Foster Mittelalter zurückgeschraubt. Yeates künstlerisches Können trug auch viel dazu bei, die Serie wieder erkennbar zu machen. Leider verpasste King Feature aber, gleichzeitig auch den Verfasser Mark Schultz auszutauschen, der sich bis heute schwer damit tut, seinen häufig in der Mystery angesiedelten Handlungsstrang den gewünschten ritterlichen Lebensumständen anzupassen. Doch nach nunmehr mehr als 650 neuen Seiten haben sich die beiden Künstler offenkundig dazu verständigt, Prince Valiant vermehrt wieder Abenteuer (=Quests) übernehmen zu lassen, die den Erwartungen an diese Serie durch seine Leser entsprechen.
Ich komme abschließend nochmals auf das Foster Zeitalter zurück; auf die Frage, ob Foster zeichnerisches Gesamtwerk als Kunst eingestuft werden kann. Für meine Antwort entkopple ich die 1789 Seiten von Foster von den weiteren Seiten aus anderer Hand. Fosters Werk war brillant, er hat seine realistische Zeichenkunst zu höchster Vollendung entwickelt und so darf man getrost bei ihm von Kunst sprechen. Von seinen Nachfolgern würde ich nur bei Thomas Yeates Anzeichen erkennen, dass er bemüht ist, seine zeichnerischen Arbeiten mehr und mehr zu optimieren, Fosters Auffassungen nachzueifern.
Für mich war und bleibt erstaunlich, wie ein Mensch unter wechselnden Umständen innerhalb seiner Lebensjahre trotzdem Bleibendes erschaffen kann. Denn Foster war in seiner Jugend ein echter Naturbursche. Mit dem Kanu und einer Waffe auf Kanadas Flüssen unterwegs, die Natur studierend und sich die Tierwelt erschließend. Geboren 1882 verbrachte er mit Mutter und Stiefvater in seinem Geburtsland Kanada glückliche Jahre, auch ohne dem, was wir heute als unseren (unverzichtbaren?) Luxus bezeichnen. Als junger Erwachsener erkannte er seine zeichnerische Begabung und verdiente sich sein erstes Geld mit Werbearbeiten für die kanadische Touristik. Es folgten andere, ähnliche Jobs. Richtig erkannte er, dass zum professionellen Ausüben von Grafik ein Studium nötig wäre, was er in Chicago dann tätigte. Danach landete er im Katalogwesen einer Warenhauskette, deren Kataloge in Ermangelung von Fotografien (diese waren technisch noch nicht einsetzbar) von handskizzierten Modellen lebte. Und stieg schließlich 1930 unter dem Zwang, seine Familie versorgen zu müssen, bei den Tageszeitungs-Comics ein, zunächst mit einer Adoption des Tarzan-Themas. 1937 schlug dann die Geburtsstunde seines Prince Valiant.
Mein Schlusswort nutze ich, für den heutigen Prince Valiant (Prinz Eisenherz) eine Lanze zu brechen. Denn – wie schon erwähnt – spielt er zu meinem großen Bedauern heute in den Angeboten des Comic-Handels keine Rolle. Lediglich im Bereich der älteren und alten Broschüren/Büchern findet man noch eine stattliche Anzahl Titel. Da seit Jahren aber keine deutsche Zeitung/Zeitschrift die aktuellen Seiten veröffentlicht, kennen bestimmt inzwischen die vielen Nachgewachsenen und damit möglichen Leser diesen Comic nicht. Richtig ist, der sogenannte Handlungsfaden der letzten Jahre war auch für eingefleischte Leser nicht mehr interessant genug, um die aktuellen Abenteuer zu verfolgen. Doch nach meiner Einschätzung haben sich die Zeiten geändert. Die Serie hat neue und spannende Geschichten im Angebot - wert, sie zu lesen. Der heutige Zeichenkünstler Thomas Yeates gibt sich große Mühe, auch im Bildbereich den Leser zu befriedigen. Allein schon seine Bildaufteilung und die Visualisierung der Handlung bieten Genuss. Überzeugen davon kann man sich jeden Sonntag auf der Comic-Kingdom Internetseite von King Features. Oder man leistet sich alle 2 Jahre die preiswerte Buchausgabe des Bocola-Verlags, die im März 2025 wieder die letzten zwei Jahrgänge 2023/24 vorlegen wird. Für Menschen, die das englische Original bevorzugen, bietet sich die USA-Ausgabe vom Fantagrafica Verlag an, die aber wesentlich teurer ist, dafür aber zusätzliche authentische Beiträge aus den vergangenen Jahrzehnten der Valiant-Comic-Veröffentlichung bietet. Ich hoffe, neugierige Leser aufmerksam gemacht zu haben. Begegnen wir uns bald mit dem Prinzen in Camelot wieder?
Klaus Nonnast/ September 2024
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