Prinz Eisenherz Lexikon
Idee Andreas Schmidt - Text Klaus Nonnast
Sammlungen entstehen nicht selten durch Zufälle, sind keinesfalls immer geplante Absicht. Ein Mensch entwickelt zu einer Sache oder einem Gegenstand große Affinität. Dabei ist für ihn die monitäre Werteinschätzung zunächst nebenrangig, die entwickelt sich meist erst später, wenn von anderer Seite diese Fragen in Spiel gebracht werden.
Mich haben Sammelwünsche von frühester Jugend an begleitet. Stets wurden sie durch ein kleines Interesse geweckt, unverdächtig, dass sich dieses auswachsen könnte. Später war ich dann auf das Ziel, möglichst komplett zu werden, fixiert. Doch mal kürzer, mal länger, war das Ziel erreicht, erlosch das Interesse.
Doch es gab Ausnahmen. Prinz Eisenherz war die größte. Mit 11 Jahren war ich Zeuge seiner deutschsprachigen Wiedergeburt in der Badischen Illustrierten des Badischen Verlages. Wiedergeburt deshalb, weil die Quellenforschung erste Veröffentlichungen – wenn auch zum Original hin stark abgewandelt – schon 1939 in einer Kinderzeitschrift namens Papagei anführt.
Aus heutiger Sicht ein unbedeutender Vorgang, aus Sicht des Jahres 1950 aber war es ein unter Jugendlichen großes Beachtung erzeugender Moment, als die Prinz Eisenherz Page Nummer 120 (Eisenherz blickt, auf einem Fels stehend, auf die von Hunnen belagerte Burg Andelkrag hinunter) über eine ganze Seite von der Illustrierten Woche abgebildet wurde.
Warum war dies damals so bedeutend? Versuchen wir uns in dieses Jahr 1950 und den damaligen Medienmarkt zu versetzen. Zwar war auch schon damals einige Printvielfalt am Kiosk festzustellen, doch es gab nur einen Bruchteil der Titel, die heute angeboten werden. Comichefte waren selten, Text-Schmöker kamen erst vereinzelt (wieder) auf den Markt. Fernsehen war nur Fachleuten bekannt, es wurde noch in Firmenlabors entwickelt. Jugendliche waren in der Regel auf die klassischen Titel (Karl May etc.) der Literatur angewiesen.
Vermutlich auf der Suche nach Neuem entdeckte ein Verlag den Prinzen. Und da das Interesse bei uns Jugendlichen wie eine Bombe einschlug, kurbelte seine wöchentlichen Fortsetzungen wahrscheinlich den Verlagsumsatz nicht unbedeutend an. Wie ein Lauffeuer sprachen sich in unserer „Klicke“ diese Bildseiten herum und mutierten zum Wochenhöhepunkt.
Für mich gab es nur ein Problem. Meine Eltern hatten einen wöchentlichen Lesezirkel abonniert, der aber bei Wechsel der Ausgaben unbeschädigt zurückgegeben werden musste, da die Hefte noch weiteren Lesern zugedacht waren. So konnten meine Freunde und ich zwar die einzelnen Folgen (in schwarz-weiß) lesen, aber nicht, zwecks sammeln, heraustrennen. Und Geld für einen Kauf der Ausgaben am Kiosk hatte ich als 11 Jähriger noch nicht.
Sicherlich versteht der geneigte Leser von heute, dass die Verlagsankündigung der geplanten Herausgabe von Sammelausgaben der bereits veröffentlichten Folgen bei mir einen Luftsprung auslöste. Als ich sie schließlich in Händen hielt, wurde meine Freude aber etwas getrübt, denn der Badische Verlag strich all die Übergangsfolgen heraus, die mit kleinen Familiengeschichtchen gefüllt waren. Man dachte wohl, wir Jugendlichen wären nur an dem Schlachtengetümmel interessiert.
Dann ging es zügig weiter, denn der Verlag startete neben den Wochenveröffentlichungen, den Sammelbänden auch noch eine Textausgabe als hartgebundene Bücher mit ausführlichen Texten und ausgesuchten besonders eindrucksvollen Bildern der Serie. Für Jahre standen diese Bücher auf meinem Weihnachtswunschzettel und … wurden auch erfüllt. Ich war zum Sammler geworden, ohne dass mir dies so richtig bewusst war.
Und weil Prinz Eisenherz gerade seinen Lauf hatte, erschienen uns bisher nicht oder weniger bekannte Fortsetzungen – und die noch in Farbe – in einer Comicheftchenreihe des Aller-Verlages, was weiteres Entzücken auslöste. Inzwischen Empfänger eines wöchentlichen bescheidenen Taschengeldes war der Kauf der Hefte gesichert. Das war die Situation bis ins Jahr 1954 bzw. 1955 hinein. Ich sammelte, was zu bekommen war und träumte ernsthaft davon, eines Tages die Story komplett zu besitzen.
Dass dieser Comic seine Wurzeln in USA hatte, wurde mir erst so um 1956 bewusst, als ein Freund mir einen Packen US Comics, unter denen sich auch einige „Sundaypapers“ befanden, überlies. Hier entdeckte ich „meinen Eisenherz“ mit englischen Text und unter dem mir bis dahin unbekanntem Namen Prince Valiant. Mein erster Blick über den deutschen Comic-Tellerrand hinaus.
1956 verabschiedete sich die Illustrierte Woche des Badischen Verlages aus der Eisenherz-Publikation. Ich kann mich aber nicht erinnern, ob das auch das Ende der Zeitschrift war. Mein Entsetzen wurde doch stark abgemildert, weil sich die Neue Welt am Sonnabend bereit erklärte, die Geschichte nahtlos fortzusetzen, was sie dann - selbst bei später wechselndem Titel - bis ins Jahr 1970 hin zur Folge 1770 tat. Ein weiteres Highlight war, dass nunmehr alle Folgen in Farbe erschienen, wenn auch die Druckqualität so mancher Ausgabe sehr zu wünschen übrig lies. Der neue Verlag setzte auch die Tradition der Sammelbände fort, führte sie insgesamt bis zum laufenden Band 19.
Den Jugendlichen-Status hatte ich inzwischen hinter mir, es gab viele andere Begebenheiten, die in meinen Interessen-Fokus gerückt waren. Trotzdem „lief“ das Sammelabenteuer Prinz Eisenherz weiter. Übrigens sehr zur Freude meiner Oma. Denn die Welt am Sonnabend zählte zu den Publikationen, die man heute als Yellow-Press bezeichnet. Und da wir zusammen wohnten, der Enkel die Ausgaben kaufte und ins Haus schleppte (lediglich auf seine letzte Seite mit dem PE Comic bestand), hatte sie eine Woche lang Lesestoff über Ereignisse, die damals wie heute die Frauenwelt beschäftigten.
Doch alles bleibt ständig im Fluss, auch damals schon. Ich hatte inzwischen ein mehrjähriges Studium hinter mir, hatte Familie und arbeitete an meiner beruflichen Zukunft. Die fand ich für einige Jahre in Lübeck. Das bedeutete aber, dass wir uns wegen begrenztem Platz in einer Firmenwohnung räumlich einzuschränken hatten. So blieb es nicht aus, dass ich über Reduzierungen selbst ganz persönlicher Dinge nachdenken musste. Leider traf ich in dieser Situation eine Entscheidung, die ich bis heute noch bereue. Ohne im mindesten an Sammlungsaspekte zu denken, beauftragte ich einen Buchbinder, alle 11 PE-Bücher auszubinden und in zwei Sammelbänden neu zu fassen. Dito die 19 Sammelbroschüren. Noch weniger überlegt ging ich mit meinen Allerheftchen um, aus denen ich alle Eisenherz-Seiten heraustrennte und bildkantengenau ausschnitt. Nun hatte ich zwar Platz gespart, aber den Originalen heftigste Gewalt angetan.
Die Internationalität dagegen wuchs. Eine Tante, die in Südafrika lebte, sammelte über lange Zeit die dort erschienen Strips und schickte sie mir zu. Meine Schwiegermutter, die in Amerika lebte, sammelte auch für mich und schließlich fand ich bei einem Urlaub in Italien gebrauchte Heftausgaben in italienischer und in portugiesischer Sprache. Meine Freude war reichlich groß, wie der Leser sicherlich nachvollziehen kann.
Im Jahre 1970, inzwischen waren wir wieder in meine Heimatstadt zurückgekehrt, begann ein ereignisreicher Publikationsstrom namens Pollischansky. Auch hier war ich von seiner ersten Veröffentlichungsstunde mit dabei und kaufte beinahe alles, was er drucken lies. Wie ich erst heute durch einen Beitrag (vom Prinz Eisenherz-Übersetzer Wolfgang J.Fuchs im Bocola-Foster-Band 18) erfuhr, war Pollischansky wohl ein ähnlich begeisteter Anhänger dieser Abenteuergeschichte wie ich. Leider bin ich ihm nie begegnet.
So speiste sich meine Sammelbegeisterung ausgehend von der Illustrierten Woche des Badischen Verlages (1950-1956) über die Welt am Sonnabend (1956-1970) über Pollischansky (1970-1991) bis zum Carlsen Verlag, der 1987 antrat und noch immer veröffentlicht, sowie der rege Bocola-Verlag, der seit 2006 die Foster- und die Murphy-Jahre in neuem Glanz auferstehen lässt.
Sachkundige Leser werden sicherlich nach den von mir als „Zusatz“ bezeichneten Verlagsprodukte des Kauka-Verlages, des Melzer- oder des Splitter-Verlages fragen, zumal meine Aufzählung nur wenige Namen nennt. Klickt man das PE-Lexikon von Andreas Schmidt an, erkennt man unschwer, dass sich über Jahrzehnte eine Reihe von Verlegern am Thema versucht haben. Manche sogar manche mehrmals, leider nicht immer mit Erfolg.
Ich besitze einen Teil dieser „Zusatz-Veröffentlichungen“, aber nicht alle. Die Gründe sind vielschichtig. Entweder erfuhr ich sehr spät davon und konnte keine Quellen mehr ausfindig machen, oder ich fand die Qualität und auch die Preise nicht angemessen. Denn ich besaß inzwischen die ganze Geschichte lückenlos, zusätzliche Ausgaben, manches Mal von mäßiger Qualität, interessierten mich einfach nicht.
Der kritische Leser wird einwenden, dass ich nicht genügend differenziere. Für den Splitter-Verlag gilt dies ganz bestimmt, denn dessen Qualität war sehr gut. Leider war es deren Preis aber nicht, denn für einen einzelnen Comic-Band rund hundert Mark auszugeben, das hätte meine finanziellen Möglichkeiten deutlich überstiegen. Zumal es mit einem einzelnen Band ja nicht getan gewesen wäre, es erschienen mehr als ein Dutzend dieser Bände, da wäre viel Geld nötig gewesen. (Ähnlich erging es mir übrigens später mit der Camelot-Ausgabe von Bocola). Doch auch hier vergab ich meine Chance.
Auf der Frankfurter Buchmesse traf ich auf drei „Splitter-Herren“, mit denen ich ins Gespräch kam. Als Ergebnis bot man mir einen Deal, alle Luxusalben für 7o Mark pro Band zum Messepreis an. Ich zögerte erneut, die Familie und deren Bedürfnisse erschienen mir einfach wichtiger.
Meine Sammler-Geschichte, wenn man sie überhaupt so nennen kann, ist naturgemäß stark mit den deutschen Publikationen verzahnt. Aber es gibt bei mir auch – wie schon angesprochen – wesentliche Sammlungsteile, die aus amerikanischen Quellen stammen. Ich habe vorstehend davon erzählt, dass ich „Freunde“ hatte, die im Ausland für mich mit sammelten. Kurioserweise war aber eine ganz besonders ergiebige Quelle das Sunday Paper der amerikanischen Armeezeitung Stars and Stripes, zu der ich, für mich ganz überraschend, Zugang fand. Das hatte mit meiner Tätigkeit in einer großen Druckerei zu tun. Unser Chef hatte enge Kontakte zu den Amerikanischen Streitkräften und bezog – quasi als Druck-Kollege – täglich deren weit verbreitete Europa-Ausgabe.
Als ich zufällig entdeckte, dass „mein Eisenherz“ in der Stars and Stripes Woche für Woche zu finden war, „lenkte ich“ mit Hilfe des Sekretariats unseres Chefs die „Cartoons“ um und kam so über Jahre in den Besitz der aktuellen Abenteuer. Wenn es gelegentlich einmal nicht klappte, weil die Beilage aus unbekannten Gründen nicht vorhanden war, hatte ich einen Vertrauten im Stadtbüro dieser Zeitung. Diesen Vertrauten musste ich nur kurz telefonisch kontakten und schon lag für mich ein Exemplar aus dessen Belegstücken bereit. So etwas nannte ich „Absicherung“ und honorierte es mit Wein zu Weihnachten. Gerne erinnere ich mich an diesen freundlichen Mann, der über viele Jahre – einmal von mir eingeweiht – Prinz Eisenherz für mich – zu seiner Sache machte.
Als ich begann, diese Sammlergeschichte nieder zu schreiben, mailte ich deren Zentralredaktion in Washington an, weil ich mich vage erinnerte, dass die Stars und Stripes irgendwann ihre Comicbeilage veränderten (für amerikanische Verhältnisse ein ungeheuerlicher Vorgang) und diesem Einschnitt Prince Valiant zum Opfer fiel. Innerhalb von Stunden wurde ich von einer dieser superfreundlichen Mitarbeiterinnen, die man so nur in Amerika findet, informiert: PE erschien in Stars and Stripes (Europaausgabe) von 1948 – 2005. Einen größeren Teil der Jahrgänge findet man in meiner Sammlung.
Noch eine kleine Episode zur amerikanischen Comicszene. Im letzten Jahr war ich für einige Wochen in Georgia, im Süden von Nordamerika. In einer (Shopping-)Mall entdeckte ich einen Comicstore und suchte diesen natürlich auf. Meine Frage, ob er Prince Valiant Bücher oder Broschüren führe, verneinte der Verkäufer, er habe viele Titel, nicht aber diese Serie. Auf meine erstaunte Frage, warum denn nicht eine solch bekannte Comicserie, murmelte er im landesüblichen Südstaaten-Slang, der würde hier nicht verlangt. Für mich der Hinweis, dass mit dem doppelten Zeichnerwechsel auch in USA viel Interesse am Strip verloren gegangen ist.
Inzwischen hatte sich das Rad der Geschichte wieder ein Stück weiterbewegt. Das Internet breitete sich in rasantem Tempo aus. Überflüssig zu betonen, dass ein Sammler wie ich bald auf Tour durch die bits und bytes ging, ob man dort den Prinzen möglicherweise auch kennen würde, vielleicht sogar im Archiv hätte?
Treffer! Die Jahrgänge 2001 – 2004 boten N.N. und M.M.1) mit eigener Übersetzung als Zip-Dateien an. Diese Suche war damals meine erste Prinz-Eisenherz-Internetaktivität. Später fand ich heraus, dass es mit dem Zeichnerwechsel von Murphy zu Gianni üblich wurde, dass man auf einzelnen amerikanischen Zeitungsseiten die aktuelle Fortsetzung sich nicht nur ansehen sondern sogar ausdrucken konnte. Ich gab das aber wieder auf, weil es mir von der Qualität her zu wenig gut erschien. Und ein denkbares Druck-Abo bei King Futures (sic!)2) dafür erschien mir überzogen.
Ein Sammlungsbericht wie dieser kann nicht enden, ohne dass ich die Arbeit des Bocola-Verlag in Bonn 3) heraushebe. Was Achim Dressler und sein Team an der Wiederherstellung der einstigen Zeichnungs- und Reproduktions-Qualität geleistet haben, kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die digitalen Techniken lassen inzwischen außergewöhnlich gute Leistungen erwarten, aber keine Technik ist etwas wert, wenn der Bediener solcher Geräte nicht das notwendige Gespür für das richtige Ergebnis mitbringt.
Dressler & Co haben diesen Comic (seine anderen Wiedererweckungen kenne ich nicht) zurückgeholt aus einer – leider – mitunter sehr wenig schönen Druckqualität, die aber meistens verfahrensbedingt war. Und er hat dem Sammler etwas geschenkt, was so nicht zu erwarten war: nämlich Qualität und Preis stehen bei ihm im richtigen Verhältnis. Auch dafür sei ihm gedankt.
Sollte es einzelne Leser geben, die sich durch meine Sammlergeschichte ganz hindurchgearbeitet haben – Hut ab – dann hoffe ich, dass sich der eine oder andere davon anstecken lässt. Zwar sind die Zeiten von Foster und Murphy vorbei, auch deren Ausdauer und Treue zum Epos, aber vielleicht finden sich, oder sind schon gefunden, neue Kreative, die dem Abenteuerroman frischen Schwung geben könnten. Ich habe bis heuer 66 Jahre als Leser und Sammler durchgehalten. Wer überbietet mich?
5.1.2016 Klaus Nonnast 4)
Das Jahr 2020 und seine Überraschungen haben es möglich gemacht: ich raffte mich nach langer „Verweigerung“ auf und begann, meine inzwischen umfangreiche Sammlung unter die Lupe zu nehmen. Denn die Jahre zuvor hatte ich alles Neue nur dazugelegt, dazugestellt und mich einfach am „Wachstum“ der Sammlung erfreut.
Nun rückte ich den Teilen näher. Und da ich Chronologie schätze, waren es zunächst die Veröffentlichungen der Badischen Illustrierten Woche und des Aller-Verlages aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Badische Illustrierte Woche war bei meinen Sammlungs-Teilen ohne jeden Verlust, sowohl bei den 7 Jahres-Broschüren wie auch bei den 11 Textbänden. Von einem Buchbinder ausgebunden und in 3 neue Bücher überführt, befanden sie sich in allerbestem Zustand. Es gab es nur eine Aufgabe: im direkten Vergleich mit den Gesamt-Bocola-Jahresbänden festzustellen, auf welche der Sundaypages die Badener bei Zusammenstellung ihrer Jahres-Broschüren im Vergleich zu ihren Wochenveröffentlichungen zugunsten einer Handlungsstraffung verzichtet hatten?
Doch zunächst konzentrierte ich mich auf die 30 Comichefte, die der Allerverlag unter dem Namen Phantom, später Prinz Eisenherz, veröffentlichte. Ich besaß zu dem Zeitpunkt bis auf 4-5 Einzelhefte alle Publikationen der 1952-55er Jahre im Original, leider aber losgelöst aus den Heften und bildkantengenau angeschnitten. Und — der eigentliche Fehler - mittels einer Durchstanzung am Rande und einer Bindehülse nur noch als Einzelblätter. Hierfür galt es zu aller erst eine zukunftssichere Lösung zu finden.
Ich prüfte viele Alternativen. Übrig und überzeugend blieben Leitzordner und Klarsichthüllen in Taschenform. Hier tütete ich — nachdem alle Inhaltsblätter durchgesehen und geringfügige Gebrauchsspuren behoben waren — die PE-Blätter einzeln ein, stellte im Vergleich mit Bocola deren gültige Paginierung fest und dokumentierte sie auf der Klarsichthülle. Eine Arbeit, die hauptsächlich von der Hoffnung getragen war, nach Beendigung ein Nachschlagedokument erster Sahne zu besitzen.
Beim ersten Durchblättern von zwei gefüllten Ordnern stolperte ich schmerzlich über Lücken bzgl. Belegmuster oder fehlender Umschlagsmotive etc. Woher aber nimmt ein Perfektionsfanatiker nach immerhin knapp 70 Jahren das Fehlende? In meiner Not fielen mir die unendlichen Weiten von Ebay ein. Dort traf ich auf Angebote und freundliche Menschen, wie ich sie mir so nie hätte träumen lassen. Ich suchte und fand, suchte weiter und fand weiter, und unmerklich schlossen sich meine Sammlungslücken. Am Ende war ich in der Lage, einen Verlagsrapport mit einem Verzeichnis zu erstellen, das nicht nur Anspruch auf Vollständigkeit, sondern auch auf Richtigkeit erheben darf.
Klaus Nonnast 7/2020 5)
„Laß doch gut sein, du hast alles gesagt, was für unsere Sammler von Interesse gewesen sein könnte – vielleicht“. Sprachs und drückte sich sichtbar gelangweilt in die Rückenlehne seine Schreibtischstuhls. Von einem herzhafte Gähnen begleitet, wanderten seine Beine auf den Schreibtisch. „Du weißt genau, dass sich in den letzten beiden Jahren in der Sammlung viel bewegt hat, das sollte man doch den Lesern nachtragen“ verteidigte ich mich. Andreas, genialer PE-Lexikon-Erfinder, hörte aber mir nur mit halbem Ohr zu, starrte nicht mich, sondern eine Schokoladenkugel an, die er aus buntem Metallpapier auspackte und sich genüsslich in den Mund steckte. „Na meinetwegen, wenn du denkst …“
Diese (natürlich) erfundene Vornotiz zum 2. Update wurde von mir während in einer nächtlichen Schlafpause erdacht. Mit Augenzwinkern, soweit das in einem dunklen Schlafzimmer möglich ist. Nein, Andreas ist kein Partner, der Initiativen ausbremst, sondern der sich freut, wenn lesenswerte Neuigkeiten sein Lexikon bereichern. Ob aber meine Berichte über Veränderungen und Wachstum meiner Prinz Eisenherz-Sammlung andere Sammler wirklich interessieren? Das kann man hoffen, sicher ist es nicht.
Das Corona-Jahr 2020 – ich habe darüber schon geschrieben – brachte neue Aktivitäten in mein Jahrzehnte altes Sammlerleben. Nach mehr als 70 Jahren entdeckte ich mein Hobby neu. Hatte plötzlich Zeit und Muse, um darin zu stöbern, zu lesen, die Pandemie erzwang, das Haus zu hüten. Logischer Ersatz: mein PE-Archiv, bis zum Regalrand voll gefüllt mit vielen deutschen und zwei amerikanischen Ausgaben. In einem zweiten Regal manches mehr, z.B. Sekundärliteratur, Presseberichte, Zeitschriften etc. Auch ein großen Teil der damals parallel in Deutschland erschienen „Welt am Sonntag -“ Eisenherz-Seiten, die ich schon früher in eigens angefertigten Ringbüchern archiviert hatte.
Und natürlich 40 Bocola-Bände. Ich brauche dazu nichts erklären, die mit Abstand beste Würdigung, die ein Comic in Buchform erlangen kann! Meine Frage: sollte ich mich nicht mit diesen herrlichen Ausgaben einfach zufrieden geben? Denn was wollte ich noch mehr? Immer wieder blätterte ich in einzelne Bände und suchte mir parallel die dazu identischen Zeitungsfolgen heraus. Ich kann es nicht erklären, aber die Zeitungsdrucke – obwohl drucktechnisch häufig kaum mit Ewigkeitswert – zogen mich immer wieder in ihren Bann. Aber: Bocola und Zeitungsdrucke, jede Fassung auf ihre Art, faszinierten mich.
Zu diesem Zeitpunkt besaß ich von knapp 4.500 erschienen Seiten etwa 2.500 als Zeitungsdrucke (englische und deutsche). Wen wunderts, dass ich hungrig nach weiteren mir fehlenden Zeitungsdrucken wurde. Genau in diesem Moment half mir der Zufall, ich realisierte, dass Hal Foster in seinem FULL-Format nicht nur gezeichnet, sondern auch darin publiziert hatte. Ein cleverer Vertragsabschluss mit seinem Verleger Hearst ermöglichte es ihm. Bis dahin hatte ich allerdings keine Kenntnis vom FULL- oder Großformat. Meine Neugierde war riesengroß. Staunend hielt ich wenig später mein erstes Blatt in FULL in Händen.
Erfreulicherweise klärte mich Achim Dressler vom Bocola-Verlag auf, in wieviel verschiedenen Druckformaten der Abenteuer-Comic in USA über die Jahre erschienen war. Mir schwirrte der Kopf, ich war im Zweifel, welches Format ich denn weiter sammeln wollte? Da entzauberte Achim Dressler meine Wunschträume: „ Heute noch eine lückenlose FULL-Sammlung der Jahre 1937-1971 zusammen zu bekommen, kaum vorstellbar.“ So sein mich ernüchternder Kommentar.
Zwar schmerzte mich diese Feststellung, aber gleichzeitig brachte sie mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Also begann ich, meinen nicht gerade kleinen HALF Besitz auszubauen. Kaufte in Deutschland und USA über Ebay ganze Jahrgänge aber auch Pakete mit Einzelseiten auf. Im Verlauf dieser Käufe konnte ich neben von mir gesuchten HALFS noch circa 100 FULLS und 50 2/3 Seien erwerben. Ich griff zu und kaufte, stellte aber später leider oft fest, dass die Qualität in manchen Paketen ein Fremdwort war. Nicht gerade wenige der Seiten hatten über die Jahre kleinere und größere Gebrauchsspuren abbekommen. Deshalb fing ich mit eigenen „Restaurierungen“ an. Dabei halfen mir berufliche Kenntnisse, die ich mir früher in der Druckindustrie angeeignet hatte. Hierzu finden Interessierte im PE-Lexikon einen ausführlichen Bericht.
Mit all diesen Arbeiten war ich monatelang ausgelastet, denn es galt inzwischen auch, für die nun vergrößerte Sammlung ein neues Verzeichnis anzulegen. Dabei vergingen die Wochen und Monate. Die Pandemie war in meiner Arbeitszimmer deshalb nicht präsent. Kritiker meiner Arbeit stellten aber immer wieder an mich die Frage: “Wozu das Ganze?“ Denen antwortete ich stets: “Weil das mir einfach Freude macht“. Resümee: Vieles ist geschafft, manches steht noch an. Ich hoffe z.B., dass es mir noch gelingen möge, meine heutigen Zeitungs-HALF-Lücken weiter zu schließen. Wer etwas dazu beitragen kann, möge sich bei uns melden.
03.02.2023/Klaus Nonnast 6)
Ich komme in diesem Sommer 2024 aus einer Beschäftigung, die mich erheblich Zeit gekostet hat. Denn selten davor hatte ich so vieles gleichzeitig zu tun. Ich stöberte ständig in den ebay Angeboten, ich führte Einkaufsverhandlungen, ich beschnitt die gekauften HALF-Formate, ich legte meine Archivbücher mit Titeln und Erkennungsschildern an, ich klebte (nur schmale Klebestreifen) die Seiten in die Bücher usw.. Und ich fing an zu begreifen, dass ich meine HALF-Sammlung mit all dem in eine Ebene hob, die nur ein Ziel verfolgte: möglichst Vollständigkeit meiner Jahrgänge. Aber der Reihe nach!
Ich sammelte seit 1950 alles von Prince Valiant (Prinz Eisenherz) und versuchte, jedem Krümel habhaft zu werden. Im Hauptteil habe ich das ausführlich beschrieben. Allerdings gab und gibt es in meinem Leben durchaus auch andere Dinge von Bedeutung. So kam es vor, dass ich für die Sammlung mitunter wenig Zeit aufwenden konnte und deshalb im Sammelfluss Lücken entstanden. Doch während 2020 die Corona-Pandemie um sich griff, selbst der Gang vors Haus problematisch wurde, kam meine Eisenherz-Sammlung zu neuen Ehren.
Ich stieg in den Keller und machte mich an eine Inventur meiner Bestände. Frustrierend, was sich alles als fehlend zeigte. In Folge dieser Erkenntnis entwickelte ich großen Energie an der Beschaffungsfront. Ich wurde zum Jäger bei Hinz und Kunz, bei ebay und den Händlern in USA. Es türmten sich in schneller Folge der Inhalt vieler Pakete und ließen mich meist euphorisch zurück, wenn ich sie öffnete. Mir war klar, die Sammlung verdichtete sich mehr und mehr, ich erlag dabei dem Hype eines Besitzenden. Denn einen wirklicher Bedarf für diese frühen Sonntagsseiten in Bezug auf die durchgehende verfügbare Handlung bestand nicht. Ich besaß ja alle Seiten in Buch- und Broschüren-Ausgaben, soweit sie in Deutschland veröffentlicht worden waren.
In der Stunde 0, in der mir klar wurde, dass ich mit meinem wilden Aufkäufen eine rote Linie überschritten hatte, trat ich endlich auf die Bremse. Denn mit Logik hatte dieser Beschaffungswahn nichts mehr zu tun. Ich diagnostizierte mich selbst als Comic-süchtig! Übersah, dass ich über Jahrzehnte schon viel Langstrecken-Qualitäten beim Sammeln besaß. Dazu noch Besitzer einer sehenswerte HALF-Sammlung. Bedarf, weitere alte Eisenherz-Seiten in diesem Umfang einzusammeln, eigentlich völlig überflüssig war.
Doch in meiner Freude über die erworbenen Puzzelteile sah oder wollte ich nicht sehen, dass damit auch mein Besitz an Dubletten sprunghaft angestiegen war. Die wurden zum nächsten Thema. Ich hatte jetzt eine Sunday-Sammlung Eisenherz in HALF, die aber noch allerlei Lücken hatte, was Vorrang vor allen anderen Überlegungen bedeutete. Schneller als ich es aber erwartet hatte, trat an vielen Stellen Vollständigkeit ein. Mein großer Fundus an Dubletten war der Grund. Jetzt kam die Frage: was sollte ich vernünftigerweise mit den Dubletten tun? Denn verkaufen wollte ich sie partout nicht.
Ich grübelte lange, erwog diese und andere Lösungen, traf dann aber eine Entscheidung, die meinen Ansprüchen nach vielen Richtungen mit optimal gerecht wurde.
Dazu muss ich etwas tiefer auf Details eingehen. Ich hatte mir von einem Buchbinder spezielle Ringbücher mit unbedruckten weißen Papier anfertigen lassen, hier klebte ich – beginnend mit der Page 1339 – meine HALFS chronologisch nach den aufsteigenden Blattnummern ein. Bei fehlenden Motiven lies ich natürlich die entsprechenden Blätter für späteres Nachrüsten frei. So landete ich schließlich bei der Page 2992 an. Von da ab klaffte eine große Lücke, bis hin zu Page 4099. Erst ab da verfügte ich wieder über die aktuellen Sonntagsseiten (Sundays) bis zu den Folgen (ca. 4.500). Ich brauche nicht zu betonen, dass 1.653 Folgen zu archivieren Wochen Arbeit bedeuteten. Diesen „Strang“ nannte ich später Buch 1 (ohne Trennung nach Jahrgängen, sondern eine reine Aneinanderreihung laufender Seiten).
Wenn … ja, wenn da nicht meine unzähligen Dubletten gewesen wären. Hier drängte sich plötzlich eine Lösung auf, die nur ein Sammler, und nur der, wirklich versteht. Ich wusste um meinen großen Fundus, und mein Wunsch war es, die 50/60 Jahre alten Zeitungsschnippel in besonders sorgfältigem Zustand aufzubewahren. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach geeigneten Archivbänden und wurde nach langer Suche bei Firma Boesner, einem Unternehmen, das Künstlerbedarf anbietet, fündig. Deren Skizzenbücher mit Ringbindung entsprachen genau meinen Vorstellungen. Die dort eingeheftete Blanko-Blattzahl war exakt auf meinen Bedarf von drei Jahrgängen pro Buch angelegt. Jetzt entwarf ich einen Gesamttitel und drei Jahres-Zwischenblätter. Der Rest war harte Klebearbeit. Für meine neue Buchreihe 2 hatte ich ausreichend Sundays zur Verfügung, was mir jetzt erlaubte, die Jahrgänge von 1960 bis zum Jahrgang 1988 lückenlos aufzuarbeiten. Die Monate, in denen ich meine Schätze archivierte, verflogen wie im Flug, und mein Besitzer-Stolz wuchs kräftig mit.
Beim Film würde man es den Szenenwechsel bezeichnen: ich saß in meinem Kellerstübchen, dem sogenannten „Eisenherz-Gesamtarchiv“ und weidete mich an den Stapeln mit den Sonntagsseiten. Papier-Fahnen, wie sie der Fachmann nennt, mit Hinweis auf die aufgereihten Jahrgänge, Bücher 2, oder die trennungslosen Folgen der Bücher 1 starrten mich an, und die unausgesprochene Frage schwebte über allem: „Zufrieden oder was nun?“ Mein stolzer Besitzerblick schwenkte von Regal zu Regal, ich hatte zwar nicht alles, aber verdammt viel von diesem Ritter ohne Furcht. S/W oder farbig, in Büchern und restauriert, in Broschüren mit eigener Farbanlage, als Taschenbücher oder Zeitschriftenform, eine geradezu niemals endende Erfolgsgeschichte.
Meine hohe Selbstzufriedenheit erfuhr ganz plötzlich eine Delle. Da war doch noch diese entsetzliche Lücke zwischen Page 2992 und 4099! Ja, in den Bocola-Bänden fanden sich zwar diese läppischen 1000 Seiten, gut gedruckt, aber nicht in meiner HALF-Sammlung 1. Der Neid auf Unbekannte, die möglicherweise diese Sonntagsseiten besaßen (ich kannte keinen) wuchs, und ich bemerkte an mir, wie sich all mein Denken dieser Frage zuwandte: woher bekomme ich diese Seiten?
Wie immer hielt Kommissar Zufall hier seine Hände ins Spiel, kam mir – so, als hätte er es geahnt – in Form einer gründlichen Organisationsänderung bei dem Rechteinhaber von Prince Valiant, King Features in New York, zu Hilfe. Eine dort völlig neu geordnete und anders strukturierte Comic-Verwaltung wurde Anfang 2024 eingeführt, die Vor- und Nachteile für Nutzer mit sich brachte. Konnte man bisher an jedem Sonntagmorgen die aktuelle Fortsetzung via Internet nicht nur ansehen, lesen und ausdrucken, war Letzteres nun nicht mehr möglich. Der Sammler musste mit dem Ausdrucken eine Woche zuwarten, dann wurde das Motiv freigegeben. Dafür gab es aber den Zugang zum Archiv, welcher allerdings nur wenigen Fans von Nutzen sein wird. Denn King Futures hat bisher lediglich die Jahrgänge 1980-1984 – und die nur S/W – hinterlegt. Ohne Lücken ist dagegen der Zugriff auf die Sonntagsseiten in Farbe 1996 bis heute möglich.
Der geneigte Leser ahnt, was kommt. Natürlich setzte ich mit an meinen PC und rief die rund 1000 Seiten, die mir bis dahin fehlten, nun einzeln auf. Auch dieses eine Mammutarbeit, die sich über Wochen hinzog. Alle DIN A4 Ausdrucke mussten schließlich noch in Kunststoffhüllen in Ringordern archiviert werden. Ich erfreue mich bei jedem Besuch im Archiv an den Rückenschildern. Jetzt bin ich zwar fast über alle etwa 4.600 Folgen in vielerlei Varianten komplett, aber „unglücklicherweise“ fehlen mir bei den Jahrgängen 1994/95 doch noch circa 80 Seiten. Ich hoffe darauf, dass auch diese sich noch bei mir irgendwie, irgendwann einfinden.
Womit ich zu meinem Schlusswort überleite: was ich über 75 Jahre (mit Sammellücken) an Edelausgaben in Buchform, an normalen Büchern, an Broschüren und an Taschenbüchern sowie einer Vielzahl weiterer Veröffentlichungen in deutschen und fremdsprachigen Ausgaben zusammengetragen habe, verblüfft selbst mich immer wieder. Ich habe nun eine weitere Entscheidung getroffen: neue Aufkäufe nur, wenn es Besonderes zu kaufen gilt. Derzeit arbeite ich daran, meine Sammlung der US-Edelausgaben von Fantagraphics nach und nach noch zu vervollständigen.
Jetzt sorge ich mich in erster Linie um eine sachgerechte Aufbewahrung der Sammlung, werde gelegentlich an der einen oder anderen Stelle blättern und mir die zeichnerischen Höhepunkte der Saga zu Gemüte führen. Sollte sich der eine oder andere Sammler von meinen Erfahrungen angesprochen fühlen, würde mich das freuen. Denn noch immer reitet Prince Valiant (Prinz Eisenherz) durch die Comic-Szenerie und besiegt Feinde aller Art. Auch, weil seine Schöpfer es bisher vermieden, dass die Comic-Legende irgendwann in Vergessenheit geraten könnte.
Klaus Nonnast 01.08.2024 7)
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